Fressbremse – Fluch und Segen zugleich

Nicht alle Pferde haben eine sportliche Figur bzw. einen gesunden Ernährungszustand. Übergewicht kann vielerlei Ursachen haben (z.B. ein gut gemeintes Futterangebot in Kombination mit Bewegungsmangel, Stoffwechselstörungen mit hormonellen Dysbalancen), schadet dem Pferd jedoch mehr als dass es ihm gut tut.

Übergewicht bei Pferden ist ein zunehmendes Problem. Der Stoffwechsel eines Pferdes ist auf kontinuierliche, aber langsame Aufnahme energiearmen Futters ausgelegt. Gleichzeitig muss sich sich das Lauftier Pferd in der Natur dieses Futter durch ständige Bewegung selbst suchen. Aber: Unsere domestizierten Hauspferde leben nicht mehr in der Natur und bekommen ihr Futter direkt auf den Teller serviert. Die gut gemeinten Futterrationen reichen oftmals weit über den Bedarf hinaus bei gleichzeitig mangelnder Bewegung. Übergewichtige Pferde mit deutlichen Stoffwechselproblemen und Hufreheneigung sind keine Seltenheit mehr. Für solche Pferde können Fressbremsen ein wahrer Benefit sein, um mit den Weidepartnern gemeinsam zu grasen.

Der kleine aber feine Unterschied zwischen Maulkorb und Fressbremse

Wenn es um das Thema Übergewicht beim Pferd geht, liest man in Forenbeiträgen häufig von Fressbremsen. Googelt man das Wort Fressbremse erscheinen zahlreiche Fotos von Maulkörben oder „Weidemaulkörben“. Die Begriffe werden oft synonym verwendet. Aber was unterscheidet eine Fressbremse von einem Maulkorb?

Ein Maulkorb hindert das Pferd am Fressen, und zwar komplett. Nach einer Operation oder Zahnbehandlung etwa, wenn die Sedierung oder Narkose noch nachwirkt und die Gefahr einer Schlundverstopfung groß ist, sollten Pferd am fressen gehindert werden. Oder bei einer Kolik mit bspw. Verstopfung, auch da soll die Futteraufnahme zeitweise unterbunden werden.
Mit einer Fressbremse kann ein Pferd fressen, allerdings nur sehr langsam. Der Begriff Fressbremse ist eigentlich selbsterklärend. Die Futteraufnahme wird eingeschränkt, soll jedoch nicht gänzlich verhindert werden.

Pro und Contra Fressbremse

Die langsame Futteraufnahme fördert Kaufunktion und Speichelbildung (Pufferwirkung) und wirkt damit unterstützend auf die Darmtätigkeit. Klingt nach überzeugenden Vorteilsargumenten. Doch wo Vorteile sind, da gibt es auch Nachteile. Fressbremsen mit Kunststoffböden können die Schneidezähne durch Schaben am Material übermäßig abschleifen. Die Pferdezähne sollte man dahingehend im Auge behalten werden und bei Bedarf von einem tierärztlichen Fachspezialisten kontrolliert werden (das sollte man sowieso routinemäßig 1x jährlich machen lassen ;-)).
Je nach Art der Fressbremse sind zusätzliche Riemen zur Befestigung angebracht, die ein „Gefahrenpotential“ für Hängenbleiben (z.B. wenn sich dein Pferd mit dem Hinterhuf am Kopf kratzt) oder Scheuerstellen bilden. Eine Fressbremse hat nicht nur Auswirkungen auf die aufgenommene Futtermenge sondern auch auf das Sozialverhalten deines Pferdes. Je nach Fressbremse können Maul und Nase und damit die Mimik des Pferdes für Herdenpartner mehr oder weniger gut sichtbar sein. Dies birgt Konfliktpotential. Auch gegenseitige Fellpflege ist schiergar unmöglich. Im Laufe des Tages können sich in der Fressbremse Schmutz, Sand, Erde oder Futterreste ansammeln und die Schlitze verstopfen. Die Futter- und Wasseraufnahme wird zusätzlich erschwert oder schlimmer noch verhindert. Ist das Gras zu lang, drückt es das Pferd beim Versuch zu fressen platt und es kommt bei Verwendung von Fressbremsen mit Bodenloch nicht durch das Fressloch. Ist das Gras zu kurz, gelangt es ebenfalls nicht durch das Fressloch oder die Schlitze. Das Pferd wird versuchen energischer zu fressen und beschädigt nicht nur den Boden der Fressbremse sondern im dümmsten Fall die eigenen Zähne. Steigt das Frustrationslevel weiter an, wird das Pferd versuchen seine Fressbremse loszuwerden. Und ich glaube wir alle wissen, wie kreativ Pferde sein können, wenn sie etwas loswerden wollen!

So sitzt die Fressbremse richtig

Den guten Sitz solltest du regelmäßig auf Passgenauigkeit überprüfen (insbesondere am Maul, Jochbein und hinter den Ohren). Ähnlich wie bei der Zäumung kannst du die 2-Finger-Regel anwenden: Zwischen dem oberen Rand der Fressbremse und Pferdenase müssen 2 erwachsene Finger Platz haben. Die Fressbremse und etwaige Befestigungsriemen dürfen nicht so eng anliegen, dass sich Druckstellen abzeichnen. „Lommelig“ locker rumwackeln sollte sie jedoch auch nicht. Das Pferdemaul sollte zum Boden oder der Lochplatte ca. 2,5 cm Platz haben und nicht dauerhaft anliegen. Das Pferd muss sein Maul problemlos und ausreichend weit öffnen können.

Darauf solltest du achten
1. Gewöhne dein Pferd langsam und gründlich an die Fressbremse und beobachte, ob es Anzeichen von Stress oder Unbehagen äußert.
2. Beobachte dein Pferd in der Herde: Wird es in seiner Rolle weiterhin akzeptiert?
3. Überprüfe die Umgebung (Stall/Weide) , in der sich dein Pferd mit der Fressbremse aufhält: Stelle sicher, dass du keine Kanten oder Vorsprünge übersiehst, an denen dein Pferd mit seiner Fressbremse hängen bleiben kann.
4. Behalte Gewicht und Ernährungszustand deines Pferdes im Blick und vermeide eine zu rapide Gewichtsabnahme. Das setzt dem Stoffwechsel deines Pferdes genauso zu wie Übergewicht.
5. Stelle sicher, dass dein Pferd uneingeschränkt Wasser trinken kann und reinige ggf. die Schlitze der Fressbremse.

Welche Fressbremse passt zu meinem Pferd?

Welche Fressbremse für dein Pferd das Nonplusultra ist, musst du wohl selbst ausprobieren. ABER: Du bekommst hier einige Infos zu den gängigsten Modellen.
Der Greenguard besticht durch seine guten Verstellmöglichkeiten und sitzt damit wirklich gut am Kopf. Er kann mit Riemen einfach am Halfter befestigt werden. Der Maulbereich ist durch das Kunststoffgitter nicht vollständig abgedeckt. Atmen, fressen und trinken sind also problemlos möglich. Der EasyGrazer ist aus Biothane gefertigt und daher als „zahnfreundlich“ einzustufen. Außerdem punktet der EasyGrazer mit Sollbruchstellen und ein abnehmbares und waschbares Polster am Nasenrücken, da er im Gegensatz zum Greenguard am Stück (wie ein Halfter) über den Kopf gezogen wird. Die Mimik des Pferdes bleibt weitgehend erhalten. Atmen, fressen und trinken sind auch hier möglich. Auch die Textil-Fressbremse (z.B. von Waldhausen oder Busse) wird als Ganzes über den Kopf gezogen. Sie ist am Boden der Fressbremse mit einem Überkreuz gelegten Gurtband gefertigt. Atmen, fressen und trinken sind problemlos möglich, allerdings ist die Mimik etwas eingeschränkter möglich als bei den vorgenannten, wenngleich nicht so deutlich wie bei der Fressbremse mit Lochplatte als Boden. Hier sind Maul und Nase fast vollständig umschlossen. Mimik und Futteraufnahme sind deutlich eingeschränkter möglich als mit vorgenannten Modellen.

Die Textil-Fressbremse mit überkreuz gelegtem Gurtband ermöglicht eine eingeschränkte Futteraufnahme.
Diese Fressbremse hat ein Loch in der Bodenplatte. Durch das Futterloch kann das Pferd Gras- oder Heuhalme aufnehmen.
Fazit

Eine Fressbremse ist kein Allheilmittel gegen Stoffwechselerkrankungen oder Hufrehe! Sie ist wohl aber ein probates Hilfsmittel zur Gewichtsregulation. Falls du dir unsicher bist ob dein Pferd übergewichtig oder stoffwechselempfindlich ist, sprich mit deinem Tierarzt oder Fütterungsberater darüber ob Weidegang für dein Pferd ein Problem darstellen könnte. Wie lange dein Pferd eine Fressbremse tragen soll oder muss hängt von deinem Pferd bzw. seinen Problem(zonen), seinem Übergewicht und dem Grasangebot ab. Bedenke aber, dass eine Fressbremse niemals eine 24/7-Lösung sein sollte.