Faszien beim Pferd – vielfach gehypt, einfach dargestellt

Bindegewebe und Faszien beim Pferd

Sicherlich hast du schon mindestens einmal den Begriff Faszienverklebung gehört. Aber was bedeutet es eigentlich, wenn die Strukturen verhärten und man von verklebten Faszien spricht? Zum besseren Verständnis was es mit Faszienverklebungen auf sich hat folgt nun ein kleiner Exkurs über Bindegewebe und Faszien.
Binde- und Stützgewebe durchzieht den Körper als eine Art netzartige Struktur. Die Bindegewebszellen sind in die sogenannte extrazelluläre Matrix (Gewebe außerhalb der Zellen, im Interzellularraum) eingebettet, welche wie eine lange, vernetzte Telefonleitung zum Informationsaustausch der Zellen dient. Im Interzellularraum finden ebenfalls hormonelle Steuerung

Die extrazelluläre Matrix ist bedeutend für die Festigkeit und Form von Stütz- und Bindegewebe und gleichermaßen Träger für Blut, Lymphgefäße und Nervenfasern. Die extrazelluläre Matrix besteht einerseits aus gelartiger Grundsubstanz (u.a. Kollagen, Glykosaminoglykane (z.B. Hyaluronsäure, Chondroitin) und unterschiedlichen Fasern.

Man kann sich Faszien ähnlich wie die weiße Haut einer Mandarine oder Orange vorstellen. Die unter der Schale (entspricht der Haut des Pferdes) liegende fädige bzw. faserige Haut (entspricht dem Fasziengewebe) enthält das Fruchtfleisch (entspricht der Muskulatur), hält es gleichzeitig zusammen und ragt bis ins Innere hinein.

Faszien sind Weichteilbestandteile des Bindegewebes. Sie durchziehen den gesamten Körper und erfüllen vielfältige Aufgaben:

  • Formgebung, Schutzhülle und Polsterung der Organe
  • Übertragungs- bzw. Kommunikationsmittel: Reize und Infos werden empfangen und weitergeleitet.
  • Nährstoff- und Flüssigkeitstransport

Faszienverklebungen: Ursachen und was dabei passiert

Bewegungsmangel ist der natürliche Feind der Faszien und des Bindegewebes. Es verliert seine stabile und zugleich geschmeidige Struktur und verhärtet bzw. verklebt. Daraus können Schmerzen und Schonhaltungen entstehen, die wiederum zu einer Überlastung anderer Körperstellen führt. Dann wiederum verkleben diese Faszien. Fasziengewebe durchzieht den gesamten Körper. Alles ist quasi miteinander verbunden. Spannungsänderungen wirken sich demnach auch auf andere Körperbereiche aus.

Stress und die damit verbundene Hormonausschüttung kann ebenso zu einer Anspannung und Verklebung von Faszien führen. Im Humanbereich geht man davon aus, dass Stress eine der Hauptursachen für verklebte Faszien und insbesondere chronische Rücken-/Nacken- und Schulterschmerzen ist. Wenn ich das aufs Pferd übertrage, leuchtet mir der Zusammenhang ebenso ein. Gerade wenn es um das Thema innere Losgelassenheit geht, die ja wiederum Voraussetzung für die äußere Losgelassenheit ist. Steht mein Pferd permanent unter Strom, lässt im Widerrist nicht los, gibt den Rücken nicht her, spannt im Umkehrschluss mit seiner sogenannten “Unterhalsmuskulatur” gegen und „rollt“ bzw. stemmt sich über die Vorhand ins Vorwärts, leiden natürlich auch Nacken, Schulter und der gesamte Bewegungsablauf darunter. Woran macht sich das bemerkbar? Na, z.B. an Anlehnungsproblemen (das Pferd geht über oder hinter dem Zügel, fällt auf die Schulter, hält sich im Widerrist fest, gebundener Gang …), die ganze Koordination und Stabilität des Rumpfes leidet darunter.

Das Bindegewebe enthält aber nicht nur Faszien sondern auch Blut- und Lymphgefäße, welche die Versorgung der Zellen mit Nährstoffen sicherstellen und den Abtransport von Stoffwechselprodukten (oft als Schlackenstoffe bezeichnet) verantworten. Hierfür sind die Gefäße auf Muskelaktivität angewiesen.

Eine länger anhaltende Muskelspannung (Dauerkontraktion) beeinträchtigt im Umkehrschluss die Nährstoffversorgung und den Abtransport von Schadstoffen gleichermaßen. Entsteht daraus ein Lymphstau, verklebt das Fasziengewebe. Warum? Kann eine Körperregion nicht angesteuert werden, ist davon auch der Transport von Fibrinogen betroffen. Das ist ein Blutgerinnungsfaktor, der bei einem Lymphstau in Fibrinum umgewandelt wird und wie ein körpereigener Klebstoff zum Wundschluss dient. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um eine Wunde und so verklebt das Fibrin das umliegende Fasziengewebe.

Ist die Muskulatur verletzt, ist deren natürliches Schwingungsverhalten gestört, d.h. Stoffwechselprodukte werden nicht abtransportiert. Dies führt zu einer lokalen Übersäuerung des Gewebes und zu entzündungsfördernden Effekten. Das Gewebe wird weniger gut durchblutet und der Zellstoffwechsel nimmt ab, was zu einem Energiedefizit der betroffenen Zellen führt.

Eine nicht artgerechte Fütterung und Haltung kann den Organismus übersäuern. Dann wiederum verlieren die Faszien ihre Flexibilität und verhärten. Außerdem reizt das saure Milieu nicht nur das Fasziengewebe sondern auch die von ihnen umhüllten Nerven. Das kann Entzündungen und unspezifische Schmerzen bewirken.

Mit zunehmenden Alter wird der Flüssigkeitsanteil im Körper geringer. Davon ist dann auch das Fasziengewebe betroffen. So nimmt der faserige Anteil des Gewebes zu und das Fasziengewebe setzt sich überwiegend aus festen, unflexiblen Kollagenfasern zusammen. Dadurch ändert sich die räumliche Struktur. Es entstehen sogenannte Cross links, d.h. die Strukturen wachsen ineinander und verzahnen sich. Darunter leidet dann wieder die Beweglichkeit der betroffenen Regionen und die Gelenkbeweglichkeit nimmt ab.

Die Strukturen verlieren Flexibilität und Zugkraft, was die Bewegungen in der jeweiligen Muskelregion deutlich einschränkt. Verklebtes Gewebe kann umgebende Faszien quetschen. Beides kann zu Schmerzen in einer Körperregion führen. Auf dem Röntgenbild sind Faszienverklebungen nicht darstellbar.

Das kannst du im Akutfall und vorbeugend tun

Viele Pferde haben Verspannungen. Diese können verletzungsbedingt sein, durch Fehlbelastungen ausgelöst oder durch veränderte Trainingsbedingungen und unpassende Ausrüstung verursacht werden. Das Pferd nimmt eine Schonhaltung ein und verringert sein Bewegungsausmaß. Die Folge sind muskuläre Dysbalancen (Verklebungen, Verspannungen, Verkürzungen), welche auch nach ausgeheilter Verletzung bestehen bleiben und physiotherapeutisch behandelt werden sollten. Hierbei kommen verschiedene Massagetechniken zum Einsatz, die von den Pferden als angenehm empfunden werden. Die Massage löst Verklebungen des Gewebes und bewirkt eine lokale Durchblutungssteigerung mit den bereits genannten positiven Konsequenzen für den Heilungsverlauf z.B. beschädigten Sehnengewebes. Die Massage kann manuell (von Hand) erfolgen oder mittels Helferlein wie Faszienroller (z.B. RollArt, Faszilette oder Matrixgerät).

Wichtig ist, immer auch die zugehörige Muskulatur zu „bearbeiten“. Gerade in der Stehzeit, während der Patient maximal geschont werden muss, können diese Techniken Verklebungen sanft lösen und effektiv zum Heilungsverlauf beitragen. Mit einer Faszienrolle kannst du das Fasziengewebe stärken sowie Verklebungen und Muskelverhärtungen lösen.

Darüber hinaus solltest du die Fütterung optimieren: Dein Pferd sollte weder über- noch unterversorgt sein. Das betrifft sowohl die Energie- als auch die Nährstoffversorgung. Die Nährstoffe müssen für den Pferdekörper gut verfügbar und verwertbar sein.

Merke: Pferde sind Lauftiere. Regelmäßige, gleichmäßige und auch freie Bewegung hält ihre Muskulatur, Sehnen, Bänder und Gelenke in Schuss. Gestalte das Training vielseitig und baue es sinnvoll aufeinander auf, sodass dein Pferd eine gleichmäßige, tragfähige Muskelsilhouette bekommt. Dem voraus geht nämlich die Stabilität der Tiefenmuskulatur und die körperliche Möglichkeit zur Balancefindung. Denn bedenke: Ist die Rumpftragemuskulatur (Pufferfunktion) nicht ausreichend trainiert, müssen andere Muskelketten und Strukturen übernehmen, die dafür gar nicht bestimmt sind. Dieser kompensatorische Bewegungsablauf führt zu Fehlbelastungen, Faszienverklebungen und Muskelverhärtungen. Im weiteren, unbehandelten Verlauf tritt dann meist erst das “richtige” Problem zutage wie z.B. eine Schädigung der Sehne. 

Für Fragen und mehr Infos melde dich gerne bei mir! Gemeinsam finden wir heraus, was du in deinem individuellen Fall selbst tun kannst und welche Schritte von einem Tierarzt, Therapeut oder Fütterungsexperten erforderlich sind. Gerne kannst du auch verschiedenes Equipment mieten und selbst einmal ausprobieren.

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